Aquae Mattiacorum

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Aquae Mattiacorum (auch Aquae Mattiacae oder Mattiacum) ist der Name der antiken römischen Siedlung auf dem Stadtgebiet von Wiesbaden. Seit der frühen römischen Kaiserzeit ist in Wiesbaden von einer militärischen Präsenz gegenüber dem Legionslager Mogontiacum (Mainz) auszugehen. Im Hinterland des Limes konnte sich im 2. Jahrhundert n. Chr. eine bedeutende Zivilsiedlung entwickeln, die zum Hauptort der Civitas Mattiacorum erhoben wurde. Zivilisten und Soldaten schätzten die warmen Wiesbadener Heilquellen, weshalb der Ort den Namenszusatz Aquae trug. Nach dem Rückzug der Römer über den Rhein im 3. Jahrhundert ist in Wiesbaden weiterhin eine militärische Präsenz greifbar, zu deren bedeutendsten Überresten die sogenannte Heidenmauer zählt.

Plan des römischen Wiesbaden im Limeswerk 1909.
Militärdiplom CIL XVI, 62 aus dem Kastellbereich.
Detailplan des Steinkastells nach E. Ritterling 1909.

Ja, wahrscheinlich deshalb ist es

Kastelle

Die von Ritterling nachgewiesenen Gräben an der Platter Straße werden als Lager A, B und C angesprochen, von allen liegen nur Teile des Grabens vor, vom wahrscheinlich ältesten Lager A zusätzlich ein Torbereich mit vorgelagertem Schutzgraben (tutulus). Durch Funde lässt sich Lager B in die vorflavische Zeit datieren, Lager C ging möglicherweise dem Steinkastell in der Zeit nach dem Bataveraufstand 69/70 n. Chr. voraus.

Von dem 2,2 ha großen Steinkastell auf dem Heidenberg wurden vorrangig die Hauptgebäude im Inneren ergraben, darunter die Wohnung des Kommandanten (praetorium), ein Lazarett (valetudinarium), zwei Speicherbauten (horrea) sowie das Stabsgebäude (principia). Das Kommandantenhaus wurde nach dem Abzug der Truppen in eine Werkstatt (fabrica) umgewandelt. Vor der Mauer lagen zwei Spitzgräben als Annäherungshindernis.

Einige Soldatengrabsteine aus der Kastellzeit Wiesbadens geben Hinweise auf die hier stationierte Truppe. Es handelt sich hierbei um die ältesten Denkmäler ihrer Art rechts des Rheins. Jeweils während ihrer Dienstzeit verstarben Soldaten der Cohors V Delmatarum,[1] Cohors I Pannoniorum[2] und der Cohors IIII Thracum,[3] wobei nicht gesagt werden kann, wann und in welcher Reihenfolge die Truppen in Wiesbaden stationiert waren. Wesentlich mehr Quellen liegen vor für die Cohors II Raetorum, die wahrscheinlich die Besatzung des Steinkastells gebildet hatte. Von dieser Kohorte verstarben zwei Soldaten während ihrer Dienstzeit in Wiesbaden.[4] Ein Militärdiplom, das im Bereich des Steinkastells gefunden wurde, weist ebenfalls diese Truppe aus.[5] Die 2. Raeterkohorte wurde um 90 n.Chr. in das Kastell Butzbach in der Wetterau verlegt. Ihr könnte für kurze Zeit die Cohors III Dalmatarum als Besatzung des Steinkastells gefolgt sein, von der mehrere Ziegelstempel vorliegen. Diese ist später als Besatzung des Kastell Rückingen belegt.

Thermen

Bleirohr mit Inschrift der Legio XIIII Gemina aus Wiesbaden.
Heutiger Kochbrunnen.

Die Errichtung des Kastells im Wiesbadener Stadtgebiet dürfte nicht allein der Überwachung des Taunuskamms gedient haben. Bereits im 1. Jahrhundert setzte ein reger Thermenbetrieb ein, wie sich aus Baumaßnahmen und den damit zusammenhängenden Funden früher Ziegelstempel der Legio XXII Primigenia aus dem benachbarten Mainz erschließen lässt. Bereits Plinius der Ältere erwähnt die Wiesbadener heißen Quellen.[6] Der Dichter Martial nennt den Wiesbadener Quellsinter als Haarfärbemittel.[7]

In Wiesbaden sind insgesamt drei Thermenkomplexe fassbar, von denen die Thermen am Kranzplatz südlich des Kochbrunnens am besten erforscht sind. Sie weisen zwei größere Becken sowie mehrere kleinere Wannen in der Nachbarschaft dazu auf. Ein größeres Gebäude südöstlich davon wird als Herberge (mansio) gedeutet. In der Nähe der Adlerquelle wurde eine weitere Thermenanlage zwischen Coulinstraße und Langgasse aufgedeckt, die einen großen Rundbau (vermutlich ein Laconicum) sowie 3 anschließende langrechteckige Gebäude aufwies.

Am wenigsten bekannt ist über die Thermen an der Schützenhofstraße, von der eine Reihe Inschriften vorliegt. Es handelte sich jedenfalls nicht um ein übliches Kastellbad, obwohl mehrere Inschriften auf eine staatliche oder militärische Verwendung hinweisen. Soldatengrabsteine von Einheiten wie der Ala Scubulorum oder der Ala I Flavia, die niemals in Wiesbaden stationiert waren, belegen das.[8] Bleirohre mit Inschriften der Legio XIV Gemina Martia Victrix führten das Wasser aus einer gefassten Quelle in das Bad. Ein weiterer Hinweis auf den Kurbetrieb ist die Weihung der Antonia Postuma, Gattin des Mainzer Legionslegaten T. Porcius Rufianus, die als Dank für die Heilung ihrer Tochter der Diana Mattiaca eine Statue stiftete.[9]

Zivilsiedlung

Die Zivilsiedlung entwickelte sich zunächst im Schutz der Kastelle im Bereich südöstlich des Steinkastells. Die Bebauungsgrenze verlief ungefähr entlang der Schwalbacher Straße zum Kochbrunnen, von dort nach Südosten bis zur Mühlgasse, im Süden erstreckte sich der Vicus bis südlich der Maurergasse. Ein Bezug zu den Ausfallstraßen des Kastells ist nicht erkennbar.

Der Ort selbst hatte wie viele Civitas-Hauptorte, die nicht den Status einer Colonia oder eines Municipiums erreichten, den Status eines Vicus, wie aus einer Inschrift aus dem Jahr 194 n. Chr. hervorgeht, welche die Bewohner als vicani Aquenses erwähnt.[10] Neben dem Status als Verwaltungssitz dürften die Heilthermen einen wesentlichen Teil der wirtschaftlichen Grundlage ausgemacht haben, über die ansonsten wenig bekannt ist. Eine Inschrift nennt ein Versammlungshaus der Händler (schola der negotiatores civitatis Mattiacorum),[11] eine weitere einen Keramikhändler (Negotiator artis cretariae).[12]

Als einziges Heiligtum der Stadt ist ein Mithraeum bekannt, das 1902 nahe der Coulinstraße gefunden wurde. Der Kultraum war teilweise in den Osthang des Schulberges gebaut. Er besaß seitliche Podien als Sitzbänke, eine Nische für das Kultbild sowie eine Opfergrube in der Mitte des Raums. Das Mithraeum wurde im 3. Jahrhundert n. Chr. erbaut und um 360 n. Chr. zum Bau der Heidenmauer abgetragen. Weitere Heiligtümer für Iupiter Dolichenus[10] und die keltische Göttin Sirona[13] lassen sich nur durch Inschriften erschließen.

Spätantike

Heidenmauer und Römertor.

In der Spätantike konzentrierte sich die verbleibende Besiedlung auf den südlichen Vicusbereich zwischen Mauritiusplatz und Friedrichstraße. Nicht vollständig geklärt ist die Funktion der sogenannten Heidenmauer, welche nördlich davon in Richtung WNW-OSO verlief. Sie bestand aus einem Gussmauerwerk mit einer Fundamentbreite von 3 m und ist auf einer Länge von 520 m zu verfolgen, erhalten jedoch nur auf etwa 80 m Länge. Mindestens vier Türme sind nachweisbar, von denen noch einer erhalten ist. Die Funktion der Mauer ist unklar, weil es keine entsprechenden Wehrmauern an den anderen Seiten der Siedlung gab. Ritterling vermutete, dass es sich um eine Sperrmauer (clausura) im Vorland des Mainzer Legionslagers handelte. In neuerer Zeit geht man eher davon aus, dass die Mauer insgesamt unvollendet blieb.[14] Der Bau der Mauer erfolgte anscheinend sehr hastig, da viel unterschiedliches Steinmaterial, auch Spolien mittelkaiserzeitlicher Steindenkmäler, z.B. Säulenkapitelle, verwendet wurden.[15] Im Umfeld und unmittelbar im Mauerwerk selbst gibt es Ziegelfunde mit Stempeln spätrömischer Militäreinheiten. Die Martenses, Vindices, Secundani und Portissenses gehörten zum Mainzer Kommandobezirk.

1902 wurde die Heidenmauer zum Bau der Coulinstraße durchbrochen und der Durchbruch durch einige romanisierende Anbauten ergänzt. Unterhalb des so entstandenen Römertores wurden Kopien einiger römischer Steindenkmäler aufgestellt.

Siehe auch

Literatur

Grabungsbericht der Reichs-Limes-Kommission:

Einzelnachweise

  1. CIL 13, 07581.
  2. CIL 13, 07582.
  3. CIL 13, 07585.
  4. CIL 13, 07583; CIL 13, 07584.
  5. CIL 16, 00062.
  6. Plinius, Naturalis historia 31, 17 §20: sunt et [M]attiaci in Germania fontes calidi trans Rhenum.
  7. Ep. 14,27 Originaltext bei thelatinlibrary.com.
  8. CIL 13, 07580; CIL 13, 07579.
  9. CIL 13, 07565.
  10. a b CIL 13, 07566a.
  11. CIL 13, 07587.
  12. CIL 13, 07588.
  13. CIL 13, 07570.
  14. H.-G. Simon in Baatz/ Herrmann 1989, S. 491; H. Schoppa: Aquae Mattiacorum und Civitas Mattiacorum. Bonner Jahrbücher 172, 1972, S. 232.
  15. Walter Czysz: Wiesbaden in der Römerzeit. Theiss, Stuttgart 1994, S. 224.

Koordinaten: 50° 5′ 1,7″ N, 8° 14′ 18″ O